Mittwoch, 05. September 2001

Heute, heute werde ich endlich wieder Depeche Mode live und wahrhaftig zu Gesicht bekommen. Ich krieche aus meinem Bett und bin völlig erschlagen von einer fast vollkommen durchwachten Nacht. Rob und Britta wollen noch in die Stadt und sich ein bisschen was ansehen. Ich bin dazu aber nicht mehr in der Lage. Ich will lieber mit Niggels sehr früh an der Waldbühne sein. Sonst platze ich noch vor Aufregung. Außerdem werden die ersten Leute aus der Mailingliste auch schon sehr früh da sein. Benny und der Rest der Truppe aus Münster würde zwar erst Mittags mit dem Zug ankommen, aber ich bin einfach nicht in der Lage, auf sie zu warten. Ich muß los!!!

Niggels und ich besorgen uns im Supermarkt an der Ecke noch ein bisschen was zum schlucken und ein paar Brötchen und gehen dann schnurstracks zur S-Bahn. Als wir aus der Station herauskommen, laufen uns natürlich gleich die ersten Bekannten über den Weg. Obwohl ich ja eigentlich keinen Alkohol trinken wollte, lasse ich mich gleich zu Rotwein überreden. Wir gehen alle zusammen noch mal zur Tanke und ich nehm sogar noch einen Pikkolo mit. Na, ein bisschen Spaß muß sein. Aber dann nix wie zur Waldbühne.

Am Haupteingang treffen wir auch gleich die ersten Bekannten, Maren und Thomas, Uwe, einige Leute aus der Insight. Wir halten ein kurzes Pläuschchen und begeben uns dann zum Nebeneingang, wo wir uns mit den Münsteranern und den Insightern verabredet haben. Da ist noch gar nichts los. Nur ein paar Insighter stehen rum. Na, da ist der Zeitvertreib doch schon gesichert ;-) Wir fangen auch gleich an rumzuscherzen, zu lachen, zu trinken... und deshalb laufend auf´s Klo zu rennen *g* Na, besser jetzt, als nachher, wenn das Konzert los geht.

Langsam geht es auf 16 Uhr zu. Eigentlich soll um diese Zeit Einlass sein. Je weiter der Zeiger auf der Uhr vor rückt, desto nervöser werde ich. Langsam krame ich meine Eintrittskarte, wie übrigens auch fast alle der anwesenden Fans, hervor und kann es nicht erwarten, endlich eingelassen zu werden. Das Geschiebe vor dem Eingang wird immer schlimmer. Irgendwann zwischen 16.30 und 17 Uhr ist es dann endlich soweit. Das Tor geht auf. Man fühlt sich, als ob man durch einen Flaschenhals gequetscht wird. Doch plötzlich ist man frei. Schnell schnappe ich mir die Hand von Niggels und wir sprinten los wie die Irren. Immer Richtung linker "Innenraum". Dort wollen wir uns einen schönen Platz auf der untersten Stufe suchen. An den Treppen angekommen, kann man den fantastischen Anblick der ampitheaterartigen Waldbühne gar nicht richtig geniessen, da wir immer noch am rennen sind und die Treppen hinunterstolpern. Völlig fertig kommen wir unten an und erwischen auch noch einen schönen Platz genau da, wo wir das vor hatten.

Endlich kann ich verschnaufen und mich mal umsehen. Ich war noch nie in der Waldbühne und bin von der Kulisse beeindruckt. Vom relativ kleinen Innenraum steigen die Ränge steil nach oben. Es mußfantastisch aussehen, wenn sie voller Fans sind. Und es wird nicht lange dauern, bis ich diesen Anblick bewundern kann. Tja, und weil das Treppen steigen solchen Spaß macht, gehe ich auch noch mal diese vielen Stufen nach oben, um zu pinkeln ;-)

Langsam trudelt auch der Rest unserer Truppe ein. Laufend wird telefoniert und geSMSst, um auch noch die restlichen Leute zusammen zu trommeln. Einige von uns haben sich in die ersten Reihen vor gewagt, aber die meisten sind doch hier geblieben, um zu feiern. Niggels schleppt auch noch Mona an, die auf der anderen Seite war. Nach langer Zeit ein fröhliches Wiedersehen. Die mobilen Becks-Männer verkürzen uns die Wartezeit bis zum Konzertbeginn. Ich halte mich zwar lieber an Wasser, weil ich ja von Konzert noch was mit kriegen will, aber die meisten nehmen doch das Angebot der Biermänner in grün dankend an. Mit steigendem Bierkonsum wird auch die Stimmung in unserer Truppe immer ausgelassener. Die Ränge füllen sich zusehends und alsbald wogt eine Laola nach der anderen durch die ausverkaufte Waldbühne. Man spürt förmlich das Knistern der Spannung in der Luft. Ich kann es kaum noch erwarten und der Zeiger kriecht förmlich vorwärts.

Aber irgendwann erreicht er trotzdem 19 Uhr. Ich bin total gespannt, wie Fad Gadget, der Support Act für den größten Teil der Europatour, aufgenommen werden würde. Immerhin ist er eng mit der Geschichte von Depeche Mode verbunden, traten Depeche doch einst 1981 in seinem Vorprogramm auf. Aber Depeche Mode Fans sind nicht zimperlich mit den Vorgruppen und so bin ich diesmal doppelt gespannt, ob es wieder wedelnde Karten und Depeche Mode Rufe geben würde. Ich bin begeistert von Fad Gadget. Allerdings denken wohl nicht alle Anwesenden so. Zuerst hört man nur vereinzelte Depeche Mode Rufe und sieht nur vereinzelte Eintrittskarten, aber als Frank Tovey bei "Ladyshave" beginnt, sich Schamhaare auszureißen, schwingt die Stimmung in der Waldbühne gegen ihn um, was ich gar nicht verstehen kann. Nach ca. einer halben Stunde verlässt die Band die Bühne und ich bin etwas enttäuscht, wie Fad Gadget von den Fans aufgenommen wurde. Bleibt nur zu hoffen, daß es bei anderen Konzerten besser sein würde (was sich später auch bewahrheiten sollte).

Und wieder heißt es warten. Vor 20 Uhr ist nicht mit der Band zu rechnen, wegen der wir durch halb Deutschland gefahren sind. Die Spannung steigt nochmals spürbar an und das Klatschen und die Laola-Wellen beginnen von neuem. Langsam wird es auch dunkel, was der zu erwartenden Lichtshow nur förderlich sein kann. Auf den Bänken sitzt schon lange keiner mehr. Und wer es doch tut, springt bei den eben erklingende ersten Akkorden von "Easy Tiger" sofort auf und beginnt, wie ein Geisteskranker zu schreien. ;-)

Als Dave bei den ersten Tönen von "The Dead of Night" auf die Bühne stürmt, gibt es auch für mich kein Halten mehr und ich schreie mir ebenso wie alle Fans um mich herum die Seele aus dem Leib. Ich habe mir so gewünscht, daß sie diesen Song als Opener wählen würden und nun ist es wahrgeworden. Was für ein Knaller gleich zu Beginn der Show! "We are the dead of night!" Weiter geht es mit "The Sweetest Condition" gefolgt von "Halo", gleich dem nächsten Knaller. Niggels, Thomas und Casi hüpfen wie die Gestörten rum und ich stehe auf meiner Mauer mit super Sicht auf Dave und bin hin und weg, besonders, als er bei "Dream on" diese Sachen mit seinem Mikro-Ständer veranstaltet. *kreisch* Irgendwann gesellt sich Maren zu uns, die vorher in einer der ersten Reihen stand, der es aber dann doch zu eng wurde. Mona steigt auch mit auf die Mauer und wir drei Mädels liegen uns glücklich in den Armen. Weitere Highlights der Show sind "Waiting for the night to fall", mit dem ich niemals gerechnet hatte, und "Surrender", wunderschön gesungen von Martin. Einer meiner Lieblingssongs, bei dem ich die Freudentränen nicht mehr zurück halten kann.

Spätestens bei "Enjoy the silence" flippen auch diejenigen aus, die das Set bisher als zu ruhig empfanden. Darauf folgt eine energiegeladene Version von "I feel You", bei der es für Dave kein Halten mehr gibt und er wie ein Derwisch über die Bühne fegt. Besonders witzig ist Martin, der Dave bei "It´s no good" über die Bühne jagt. Danach kommen wir noch in den Genuß der aktuellen Single "I feel loved", die ab Leipzig nicht mehr gespielt wird. Abschluß des regulären Sets ist "Personal Jesus". Reach out an touch faith!

Als die Band die Bühne verlässt, wogt ein einziges Kreischen und Schreien nach mehr durch die Waldbühne. Lange lassen sich die Jungs auch nicht bitten, um uns mit weiteren Songs zu beglücken. Den Anfang macht Martin mit "Home" und danach folgen zwei Songs, von denen ich nie erwartet hätte, sie jemals live zu hören: "Clean" und "Black Celebration", das von einem witzigen Video untermalt wird. Unbestrittener Höhepunkt der Show ist jedoch die letzte Zugabe. "Never let me down again". Für mehr als 20.000 Fans heißt es nur noch, Arme in die Höhe zu strecken und zu wedeln. Ein unglaubliches Bild. Wie ein Weizenfeld, das sich im Wind wiegt. Als langsam klar wird, daß die Show vorüber ist, stehen wir überglücklich beisammen und können nicht aufhören, über das eben erlebte zu reden.

Nach der Show fahren wir langsam zurück Richtung Ku-Damm. Von Hunger geplagt und ausgepowert, beschließen wir, doch nicht mehr zur Aftershow Party zu fahren, sondern lieber gemütlich was zu essen und danach bei der Oma noch einen Schlummertrunk zu nehmen. Weit nach Mitternacht falle ich dann todmüde in mein Bett. Und diese Nacht kann ich schlafen.


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